Warum Digitalisierung im Fundraising nicht nur ein technisches Problem ist

Wenn wir über Digitalisierung im Fundraising sprechen, geht es in erster Linie um technische Fragen: Es geht um Endgeräte, um Datenbanken und um die Frage, wie Kommunikation gestaltet werden muss, damit die Botschaften über die verschiedenen Kanäle und Medien die Adressaten erreichen. Das sind alles wichtige handwerkliche Fragen, die auch dringend geklärt werden müssen. Und Kommunikation über technische Medien muss auch eingeübt werden, damit sie erfolgreich wird.

Hinter diesen handwerklichen Fragen stehen weitere, die auf den ersten Blick weniger auffallen, für das Fundraising aber viel entscheidender sind. Durch digitale Medien verändern sich Kommunikation und Verhaltensweisen: Wir verabreden uns zum Telefonieren, statt einfach anzurufen. Wir schicken Kolleg:innen eine digitale Nachricht, auch wenn sie im Nachbarbüro sitzen. Wir ordern schnell im Internet, weil es viel einfacher ist und wir einen guten Überblick über Preise haben. Oder wir streamen unsere Lieblingssongs, auch wenn im Nebenzimmer die CD im Regal steht.

Digitalisierung führt zum Zusammenbrechen von Geschäftsmodellen

Diese Veränderungen können zur Folge haben, dass ganze Geschäftsmodelle zusammenbrechen. Betrachten wir den Journalismus oder sehen wir uns in deutschen Innenstädten um, dann können wir es sehen: Die Zahl der Tageszeitungen nimmt seit Jahren ab und der Leerstand nimmt zu.

Dieses veränderte Kommunikationsverhalten bekommen wir jetzt auch im Fundraising zu spüren. Menschen reagieren viel seltener auf Mailings, als es noch vor 30 Jahren der Fall war. Sie sind ermüdet von den immer gleichen emotionalen Appellen und es gibt eine wachsende Gruppe, die unsere Ansprache als übergriffig empfindet. All das kann man an dem seit vielen Jahren sinken Anteil der Spendenden an der Bevölkerung gut sehen.

Übergang von Push auf Pull

Hinter dieser Beobachtung steht etwas, das Marketing-Expert:innen als Übergang von der Push- zur Pull-Kommunikation bezeichnen. Mit dem Internet und der Digitalisierung entsteht ein Überangebot an Informationen. Ich bekomme jederzeit alle Informationen und Nachrichten, die mich interessieren. Alles andere ist informatorischer Overload und wird weggefiltert. Ich bin nicht mehr darauf angewiesen, mit einem emotionalen, solidarischen Appell auf Missstände hingewiesen zu werden. Häufig habe ich die darin verwendeten Bilder schon gesehen und die Geschichten schon gelesen. Oder ich habe das alles ausgeblendet, weil es mich nicht interessiert oder überfordert. Das ändert sich auch nicht, wenn mir eine Nonprofit-Organisation schreibt.

Diese Veränderung hat erhebliche Auswirkungen auf die Kommunikation im Fundraising. Entscheidend für die Frage, ob ich eine Kommunikation will, ist, ob sie mich interessiert und damit für mich relevant ist. Es geht um meine Fragen, um meine Werte und um das, was mich bewegt. In der Regel haben Spenden-Mailings eine andere Aufgabe und Funktion: Sie sollen nicht Interaktion anbieten, sondern zum Handeln bewegen. Damit sind sie für die Adressat:innen in immer stärkerem Maße irrelevant.

Auf dem Weg zum Inbound Marketing und Communities

Damit vollzieht sich ein Übergang zum Inbound-Marketing: Es geht nicht mehr länger um die Ansprache möglichst vieler Menschen in der Hoffnung, von ihnen eine Spende zu erhalten. Es geht um die Frage, wann Menschen mit der jeweiligen Organisation in Kommunikation eintreten wollen, und welche Werte, Wünsche und Handlungsbereitschaft sie mitbringen, um gemeinsam eine gesellschaftliche Herausforderung zu lösen.

Dies verändert aber die Praxis des Fundraisings nachhaltig: Beziehungsaufbau in diesem Sinne vollzieht sich über mehrere Schritte. Er ist gekennzeichnet vom gegenseitigen Kennenlernen, vom Aufbau von Vertrauen und der Einladung zum gemeinsamen Handeln. Dabei stehen Touchpoints im Zentrum, an denen Menschen angesprochen werden können, für die die Arbeit der Organisation relevant ist, und die gesellschaftliche Verhältnisse ändern oder negative Auswirkungen mildern möchten. In diesem Prozess werden sich immer wieder Menschen entscheiden, den Weg aus unterschiedlichen Gründen nicht mitzugehen. Am Ende stehen dann Communities, in der sich alle diejenigen treffen, die gemeinsam mit der Organisation die Mission verwirklichen möchten.

Auch Organisationen müssen sich verändern

In letzter Konsequenz hat dies dann auch Auswirkungen auf die Organisationen selbst. Sie müssen sich nicht nur ihrer Mission und ihres Narrativs sicher sein, sondern auch die Logik von Communities leben. Und das Fundraising ändert sich – weg von der Beschaffung von Ressourcen hin zum Development und der Frage, wie mit Unterstützer:innen und Förder:innen die Welt ein Stück besser gemacht werden kann. Und das gelingt nur, wenn Zivilgesellschaft als gemeinsamer Gestaltungsraum verstanden wird, in dem sich unterschiedliche Akteur:innen mit gleichen Zielen treffen und gemeinsam handeln.

Fazit

Durch die Digitalisierung werden Prozesse angestoßen, die weit über die Beherrschung der Technik – die handwerklich notwendig ist – hinausgehen. Denkt man die damit verbundenen kommunikativen Prozesse zu Ende, verändert sich nicht nur das Fundraising selbst, sondern in der Folge verändern sich auch die Organisationen. Das macht es auf der einen Seite schwierig, auf die Veränderungen adäquat zu reagieren, zeigt aber auf der anderen Seite auch deren Notwendigkeit. Was uns anderenfalls bevorsteht, kann man an all den Branchen sehen, deren Geschäftsmodelle durch die Digitalisierung schon auf den Kopf gestellt wurden.

 

Eine nachhaltig finanzierte Zivilgesellschaft, die die Welt ein Stück besser macht und ohne Ausbeutung und Selbstausbeutung auskommt, ist die Mission von Dr. Kai Fischer. Deshalb beschäftigt er sich seit mehr als 20 Jahren mit dem Aufbau langfristiger Beziehungen zu Förder/innen und bietet hierfür Strategie-Beratungen, Inhouse-Workshops und Seminare an.

 

Dr. Kai Fischer

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