Spenden ohne Vertrauen
Unser Lehrmeinung im Fundraising ist eindeutig und intuitiv: Vertrauen ist eine wesentliche Voraussetzung des Spendens. Und: Verlieren Förderer das Vertrauen in die Organisation, spenden sie nicht mehr. Aber ist das wirklich so?
Spenderverlust bei Vertrauenskrisen
Zunächst scheinen die vorliegenden Daten die These zu bestätigen: Kommt es zu einer Vertrauenskrise, verlieren die betroffenen Organisationen, Stiftungen und Sozialunternehmen Förderer, Mitglieder bzw. Kunden. Ob bei Unicef oder dem ADAC – die Zahlen sind hier ganz eindeutig. Immerhin hat Unicef in Folge der Krise 2010 37.000 Fördermitglieder verloren und der finanziellen Schaden belief sich – Zeitungsberichten zufolge – auf etwa 7 Mio. €. Zur Bewältigung der Vertrauenskrise beim ADAC wurde etwa 30 Mio. € aufgewandt.
Diese Daten zeigen den Zusammenhang deutlich: Vertrauenskrisen können Reputation und Marke beschädigen und erheblich finanzielle Einbußen zur Folge haben: Ein Teil der Förderer, Mitglieder und Kunden wendet sich ab. In der Folge ist es häufig schwierig, das verloren gegangene Vertrauen wieder zu gewinnen.
Spenden ohne Vertrauen
Allerdings zeigen diese Beispiele auch: Nicht alle Mitglieder treten aus, nicht alle Förderer stellen ihre Unterstützung ein und nicht alle Kunden wandern ab. Zu diesem Verhalten passt ein empirischer Befund, der von britischen Sozialpsychologin Sally Hibbert stammt: Sie fand in Experimenten heraus, dass Förderer auch dann weiter spenden, wenn sie wussten, dass sie manipuliert wurden.
Dieser Befund ist kontraintuitiv, denn eigentlich kann es nicht sein, dass Förderer in dieser Situation spenden. Die Wahrnehmung, bei der Entscheidung zum Spenden manipuliert worden zu sein, müsste ein Ausschlusskriterium für das Spenden sein. Ist es aber zumindest bei einem Teil der Förderer nicht.
Die Bedeutung des Commitments
In der Dissertation von Julia Naskrent findet sich ein Hinweis, mit dem dieser kontraintuitive Zusammenhang erklärt werden kann: Commitment kann bei der Fördererbeziehung wichtiger als Transparenz und Vertrauen sein. Das mag überraschen. Aber wir sollten uns eins bewusst machen: Förderer haben häufig keine Beziehung zur Organisation, sondern zu denjenigen, denen geholfen werden soll. Wenn es darum geht, Tieren, Kindern oder auch gestrandeten Flüchtlingen zu helfen, kann es sein, dass das Commitment zum Spendenzweck stärker ist und wirkt als das Vertrauen in die Organisation. Schließlich muss dem Tier, Kind oder Flüchtling geholfen werden, auch wenn die Organisation in der Entscheidungssituation zugunsten der Förderer manipuliert.
Was bedeutet das für das Fundraising?
Der positive Aspekte ist: Sind Förderer über den Zweck gebunden, spielt die Organisation eine weniger große Rolle. Hierin liegt die Möglichkeit, Förderer zu finden und zu binden, die ein starktes Commitment zum Zweck oder Projekt haben, nicht zwingend aber auch zur Organisation, Stiftung oder Sozialunternehmen.
Das sollten man aber – und das ist der negative Aspekt – nicht mit Bindung verwechseln. Denn auch wenn weiterhin Spenden fließen, entsteht ohne Vertrauen keine soziale Beziehung, sondern eventuell nur eine Transaktion. Langfristig und nachhaltig erfolgreich ist deshalb die Manipulation von Förderern nicht, auch wenn sie kurzfristig funktioniert und erfolgreich sein sollte. Wer also seinen Erfolg nur an kurzfristigen Spendeneingängen und dem ROI misst, kann langfristig eher alt aussehen.
Kai Fischer berät als geschäftsführender Partner von Mission-Based Consulting seit fast 20 Jahren zu strategischen und operativen Fragen des Fundraisings. Vor kurzem ist sein aktuelles Fundraisingbuch zum Thema „Warum Menschen spenden“ erschienen.
Dr. Kai Fischer
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