5 Fragen an Tom Neukirchen: Welchen Nutzen bringen Fördererbefragungen

Frage: Lieber Tom Neukirchen, Sie befragen seit einigen Jahren Förderer im Auftrag von Nonprofit-Organisationen. Was erfährt man durch Ihre Befragungen, was man vorher noch nicht wusste?

Tom Neukirchen: Wer schon alles weiß, wird nichts Neues erfahren. Aber so einen Menschen habe ich noch nicht getroffen. Stattdessen treffe ich viele Fundraiser, die wenig über ihre Spender wissen. Sie verfügen zwar über sehr viele INDIREKTE Daten, also vor allem aus der RFM-Analyse – aber kaum etwas Direktes von den Spendern. Es ist wie im Höhlengleichnis: Wir Fundraiser sitzen in einer Höhle und schauen auf die Schattenwelt, aber nicht auf die Sachen selber. Wenn ich z.B. als Tierschutz-Organisation Projekte mit Gorillas, Rhön-Schafen und Delfinen bewerbe, kann ich aus dem Spendenverhalten ableiten, was davon am besten für wen funktioniert. Aber ich würde nie erfahren, dass alle Spender Elefanten bevorzugen. Befragungen liefern also direkte Daten vom Spender: zu seinen Präferenzen, zu seinen Wünschen. Diese direkten Daten erhalte ich nirgendwo anders – und keine Daten sind mehr wert als diese. Aus der Vornamens-Analyse kann ich das Alter schätzen, wenn der Spender es mir nennt, weiß ich es. Dann kann ich ihn viel individueller bedienen, z.B. mit Erbschafts-Infos oder Infos zu Anlassspenden, wenn ein runder Geburtstag bevorsteht. Ich kann ihm aktiv Projekte  vorstellen, die seinen Präferenzen entsprechen. Die Zukunft im Fundraising beruht auf noch individuellerer Kommunikation – und die Daten dafür liefern Spenderbefragungen.

Frage: Unter anderem entwickeln Sie Panel-Studien. Was versteht man hierunter und worin sehen Sie den Vorteil?

Tom Neukirchen: Das ist im Prinzip die Befragung 2.0. Wir umgehen mit online zum einen teure Porto- und Druckkosten  und den mit Print verbundenen Zeitaufwand. Zum anderen können wir in einem Online-Panel dauerhaft Spender befragen und ein repräsentatives Abbild einer Spenderschaft aufbauen und dieses ad hoc, also binnen 48 Stunden, zu einer aktuellen Fragestellung befragen – und liefern Antworten, die das Marketing mit der Gesamtheit der Spender optimiert. Es liefert aber auch Erkenntnisse, die für die Öffentlichkeitsarbeit und andere Arbeitsbereiche sehr interessant sind.

Frage: Förderer-Studien gelten als aufwendig. Sind sie nur etwas für finanzkräftige Organisationen?

Tom Neukirchen: Nein, Spenderbefragungen sind für Organisationen jeder Größe etwas. Ich muss nur die Befragung der Organisation anpassen und nicht umgekehrt. Auch eine NGO mit nur 1000 Förderern kann ausgewählte Anrufer oder Gesprächspartner vor Ort dazu einladen, noch ein paar Fragen zur Organisation zu beantworten. Auch das ist ja schon eine Befragung – und kann schon viele Lernerfolge mit sich bringen. Ich bin sogar der Meinung, dass jede NGO regelmäßig seine Förderer befragen muss. Wonach sonst kann man sich richten, wenn nicht nach den Ressourcengebern? Und die Ausrichtung an den Ressourcengebern, im kommerziellen Bereich Kunden, ist ja die Kerndefinition von Fundraising und Marketing.

Frage: Befragungen von Spendern werden auch von Marktforschungsunternehmen durchgeführt. Warum ist es trotzdem sinnvoll, wenn eine Organisation ihre eigenen Förderer befragt?

Tom Neukirchen: Ich stelle die ketzerische Gegenfrage: Wieso ist es mit Marktforschungs-Unternehmen sinnvoll? Früher mussten NGOs das, weil sie es nicht selber konnten. Heute können Sie es mit Online-Tools und unserem Service selber durchführen -  mit eigenen Spendern und nicht mit Menschen auf der Straße, die vorgeben, Spender zu sein. Mit eigenen Fragen und nicht mit vorgegebenen Fragen. Und mit viel mehr Flexibilität, diese eigene Fragen zu stellen, wann ich will und wie ich will. Und das zu Kosten, die ähnlich sind wie beim Spendenmonitor oder beim GKF-Panel. Es ist also meines Erachtens einfach more value for your money.

Frage: Was hat Sie bei Ihren Befragungen bisher am meisten überrascht? Womit hatten Sie nicht gerechnet?

Tom Neukirchen: Als ich mit Befragungen begonnen habe, hätte ich nicht damit gerechnet, wie engagiert die Spender sind.

In vielen Bereichen, auch im kommerziellen, sind ja 2-3 % Response schon ein Riesenerfolg bei Befragungen. Wir haben häufig 10% und teilweise bis zu 30% bei Großspendern.

Ich hätte auch nicht damit gerechnet, dass so viele sehr alte Menschen sich die Mühe machen, einen Fragebogen auszufüllen. Der älteste Reagierer war 102 Jahre alt. Da steht viel Mühe und Arbeit hinter.

Überraschend ist auch das große Vertrauen der Spender in ihre NGO. Sie geben unglaublich viele Daten von sich preis, unter anderem auch zum Einkommen. Wenn man dabei bedenkt, dass die meisten Menschen noch nicht mal wissen, was ihre Kollegen, Geschwister oder gar Partner verdienen, ist das schon überraschend, dass mehr als 2/3 der Reagierer ihr Einkommen angeben.

Vielen Dank für die Antworten

Tom Neukirchen, 46 Jahre alt, ist verheiratet, hat zwei kleine Töchter und ist Geschäftsführer von Fundgiver (Claim: Wissen, was Spender wirklich wollen) und ehrenamtlich als Vorstand/Beisitzer im Deutschen Fundraising Verband engagiert. Schon im Studium waren Befragungen sein Schwerpunkt. Seit über 10 Jahren führt er für NGOs in Deutschland, Österreich und der Schweiz Spenderbefragungen und -Interviews durch.

 

Dr. Kai Fischer

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