Die drei größten Logik-Fehler, wenn wir strategisch die Zukunft planen
Bei allen Planungsprozessen, die ja per Definition in die Zukunft gerichtet sind, stehen wir vor einem Paradox: Die Zukunft wird immer anders sein als die Gegenwart – sonst müssten wir nicht planen – aber wir haben keine guten Grundlagen für die Planungen, da sie ja offen und gestaltbar ist. Um diese Lücke zu füllen, nutzen wir Heuristiken, die alle logische Fehler aufweisen.
So waren wir in der Vergangenheit erfolgreich
Die einfachste Form für die Zukunft zu planen, ist die Extrapolation: Wir verlängern Erfolge in die Zukunft. Wer und was bisher erfolgreich war, wird es auch in der Zukunft sein. Schließlich wissen wir, worauf unser Erfolg beruht.
In diesem Argument stecken gleich zwei logische Fehler:
- Wir können zwar relativ einfach sagen, woran Vorhaben gescheitert sind. Das bedeutet aber nicht, dass wir auch wissen, warum wir erfolgreich sind. Hinter Erfolge stehen meistens viele Faktoren, die – durchaus auch zufällig – zusammenkommen. Den Beitrag aller Faktoren am Erfolg zu bestimmen, ist in der Regel nicht möglich. Wir fokussieren uns dann auf diejenigen, die uns plausibel erscheinen oder in unser Weltbild passen. Ob diese dann entscheidend sind, lässt sich nicht sinnvoll einschätzen.
- Gerade Transformationszeiten sind davon gekennzeichnet, dass bisherige Gewissheiten brüchig werden und immer weniger aussagekräftig sind. Wenn Menschen Einstellungen und Verhalten verändern, muss sich auch das Fundraising anpassen. Und dann kann plötzlich gelten, was man letzte Woche noch ausgeschlossen hat. Die Vergangenheit ist dann unter Umständen ein schlechter Ratgeber.
Alles Wissen steckt in den Daten in unserer Datenbank
Natürlich ist es zwingend notwendig, die eigenen Daten systematisch zu analysieren und hierbei insbesondere die „Ausreißer“ in den Blick zu nehmen. Aber dies bedeutet noch lange nicht, dass eine Datenbank und statistische Auswertungen einem etwas verraten. Auch dieses Argument enthält wieder zwei logische Fehler:
- Daten einer Datenbank zeigen vergangenes Verhalten. Hieraus lassen sich – gerade bei einem Zeitenwandel – keine Erkenntnisse für die Zukunft gewinnen, da sich die bisherigen Entwicklungen unter Umständen nicht extrapolieren, d.h. in die Zukunft verlängern lassen. Was man erfährt, ist, wie es in der Vergangenheit war. Dies wird dann tragisch, wenn sich Verhalten von Zielgruppe verändert oder bisherige Zielgruppen immer weniger reagieren. Wenn immer weniger Menschen spenden, kann es auch daran liegen, dass wir für einen Großteil der potenziellen Spender:innen keine sinnvollen Angebote entwickelt haben. Diese finden wir jedoch selten in den Datenbanken. Denn die sind hierin nicht enthalten
- Statistiken zeigen Korrelationen – mathematische Zusammenhänge von Daten – und keine Kausalitäten. Als ich vor vielen Jahren Statistik an der Uni gehört habe, machte der Professor in seiner Vorlesung den Unterschied an einem drastischen Beispiel deutlich: Es gibt einen hoch signifikanten Zusammenhang zwischen Zeitpunkten von Geburten und dem Storchenflug: Im Sommer, wenn die Störche in Deutschland sind, steigen die Geburten. Hieraus könnte der Schluss lauten: Wer die Geburtenrate erhöhen möchte, muss dafür sorgen, dass mehr Störche sich ansiedeln, da diese ja die Kinder bringen.
Die Schlussfolgerung in der Wissenschaftstheorie besteht darin, dass Theorien benötigt werden, um eine Grundlage für Kausalitäten zu legen, die dann empirisch überprüft – d.h. falsifiziert – werden müssen. Solange dies nicht gelingt, gelten die Theorien weiter. Wissen ist also eher situationsabhängig und immer vorläufig. Oder mit anderen Worten: Statistiken selbst sind blind und benötigen Theorien, damit sie ihr Potenzial entfalten können. Sonst besteht die Gefahr, dass wir Störche ansiedeln, um die Geburtenrate zu erhöhen.
Spender:innen sind Menschen und funktionieren alle deshalb ähnlich
Diese Theorie stammt aus dem Neuro-Marketing, das um die Jahrtausendwende sehr populär war. Natürlich haben Menschen eine ähnliche kognitive Ausstattung. Folgt aber hieraus, dass Menschen quasi programmierbar sind?
Behavioral Economics, die auf dieser Theorie basieren, sind erstaunlich erfolgreich, wenn Menschen in eine bestimmte Handlung getrickt werden sollen. Wir sind, das zeigen viele Experimente der Psychologie, relativ einfach zu manipulieren – und können uns häufig nicht einmal dagegen wehren, selbst wenn wir es merken. Das heißt aber nicht, dass wir nur hinreichend viele Tricks anwenden müssen, um an das Geld der Menschen zu kommen. Vielmehr ist menschliches Verhalten viel komplexer: Es wird selten gelingen, Menschen, die sich für Tiere interessieren auch Kinderhilfsprojekte schmachhaft zu machen. Sie interessieren sich schlicht für andere Themen, ganz egal, wie wir uns anstrengen. Und neben der Frage, wofür wir uns interessieren (und warum wir uns gerade dafür interessieren) gibt es noch viele weitere Aspekte, die bei der Entscheidung zur Spende eine Rolle spielen. Die Konsequenz ist: Wir müssen unsere Zielgruppen nach anderen Kriterien bilden und stellen dabei fest, dass Zielgruppen kleiner und differenzierter werden. „One-fits-all“ ist lange vorbei und hilft bei Transformationsprozessen, die hier ihren Ausgang nehmen, nicht weiter.
Fazit
Strategie und Planung sind komplexe, teilweise auch mehrstufige Prozesse, in denen sich jede Organisation ihre eigene Zukunft schaffen muss. Denn genauso wie jede Organisation einmalig ist, hat sie auch die Förder:innen, die gemeinsam mit ihr die Zukunft gestalten wollen. Haben wir das akzeptiert, dann stellt sich die Frage, welches Ziel die Organisation mit ihrer gegebenen Positionierung und den vorhandenen Ressourcen erreichen will und wie dies umgesetzt werden kann. Dabei spielt es eine große Rolle, welche Menschen aus welchen Gründen mit der Organisation in Resonanz gehen können, um so langfristige Beziehungen bilden zu können. Erst wenn dies „passt“, geht die Organisation gestärkt aus der Transformation hervor. Und alle in diesem Prozess gemachten Annahmen müssen dann empirisch geprüft werden. Dafür werden dann Datenbanken benötigt.
Eine nachhaltig finanzierte Zivilgesellschaft, die die Welt ein Stück besser macht und ohne Ausbeutung und Selbstausbeutung auskommt, ist die Mission von Dr. Kai Fischer. Deshalb beschäftigt er sich seit mehr als 20 Jahren mit dem Aufbau langfristiger Beziehungen zu Förder/innen und bietet hierfür Strategie-Beratungen, Inhouse-Workshops und Seminare an.
Dr. Kai Fischer
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